Die „Finanzialisierung“ des Wohnungsmarktes

Die „Finanzialisierung“ des Wohnungsmarktes

Was allen voran in Berlin zu sehr hohen Investitionen in den Wohnbau führt, ist zunehmend auch in Österreich und seit einiger Zeit speziell in Wien zu beobachten: Globalinvestoren sind am Markt überaus aktiv und finanzieren neuen Wohnraum. Das sorgt für rege Wohnbautätigkeit und bringt Baupreise und den Sekundärmarkt an gebrauchten Wohnungen unter Druck. Nicht immer zur Freude der neuen Mieter, obschon diese speziell in Wien auch Dank des sozialen Wohnbaus mit gemäßigten Mietpreisen neuen Wohnraum nutzen können.

In der Bauträgerdatenbank Exploreal werden seit 2018 sämtliche Wohnungsneubauprojekte detailliert erhoben und die Daten über eine Web-Applikation der Immobilienbranche zur Verfügung gestellt. Das erleichtert insbesondere Bauträgern die zielgerichtete Entwicklung und Einpreisung ihrer Projekte und übernimmt auch für Makler, Banken, Investoren und Sachverständige die oft zeitaufwändige Immobilienresearch-Tätigkeit. Die Analyse der Daten ermöglicht auch einen umfassenden Überblick über die sogenannte „Finanzialisierung“ des Wohnungsmarktes, also inwieweit Investoren an Projekten beteiligt sind. Exploreal hat dazu für ein internationales Rechercheprojekt unter Beteiligung des ORF umfassende Zahlen und Auswertungen geliefert.

Methodik

Dabei wird unterschieden zwischen „reinen Investoren“, die nur das Kapital zur Verfügung stellen und „finanzialisierten Bauträgern“, die die Bauträgerschaft (auch im Auftrag von Investoren) übernehmen und gleichzeitig eine enge Verbindung zum Finanzkapital aufweisen. Bauträger gelten dann als „finanzialisiert“, wenn auf den Bauträger oder auf dessen Gesellschafter mindestens ein folgendes Kriterium zutrifft:

  • Laut NACE-Code dem FIRE-Sektor (= Finanz- und Versicherungssektor) zuordenbar
  • Börsennotiert
  • Finanzerträge im Verhältnis zum Cashflow > 1

Ergebnisse für Wien

Für den Zeitraum mit Projektfertigstellung 2017-2025 wurden 118 Investoren-Projekte mit knapp 14.000 Wohnungen in Wien identifiziert. Insbesondere 2021 wird mit rund 6.000 Wohneinheiten ein sehr starkes „Investorenjahr“ werden. Das entspricht einem Drittel der gesamten Wohnungsneubauleistung in diesem Jahr.
332 Projekte mit knapp 22.000 Wohnungen wurden aus der Datenbank ausgewertet, bei denen der Bauträger gewerblich und „finanzialisiert“ ist. Der Jahresverlauf zeigt abermals für 2021 ein starkes Jahr mit nochmals über 6.000 Fertigstellungen.

Auf Basis einer gemeinsam mit der Wirtschaftskammer Österreich (WKO) präsentierten Studie zur (künftigen) Entwicklung des Wohnungsneubaus zeigt sich für Wien generell die sehr starke Zunahme an fertiggestellten Wohnungen, insbesondere im Vergleich zu der Haushaltsentwicklung (als Indikator für die Nachfrage nach Wohnraum aufgrund Bevölkerungszuwachses), sowie die Verschiebung von Eigentum hin in Richtung Miete.

Auf Basis einer gemeinsam mit der Wirtschaftskammer Österreich (WKO) präsentierten Studie zur (künftigen) Entwicklung des Wohnungsneubaus zeigt sich für Wien generell die sehr starke Zunahme an fertiggestellten Wohnungen, insbesondere im Vergleich zu der Haushaltsentwicklung (als Indikator für die Nachfrage nach Wohnraum aufgrund Bevölkerungszuwachses), sowie die Verschiebung von Eigentum hin in Richtung Miete.
Entwicklung der Wohnbauzahlen für Wien

Folgende Trends lassen sich aus den Daten klar erkennen:

  • Aktuell können wir einen enormen Bauboom am Wiener Wohnungsmarkt beobachten. Rund 2/3 der Wohneinheiten werden von gewerblichen, 1/3 von gemeinnützigen Bauträgern errichtet.
  • Insgesamt ist am Wiener Wohnungsmarkt ein Trend zu Mietwohnungen zu erkennen. Das ist einerseits auf die zuletzt wachsende Bedeutung des gemeinnützigen Sektors andererseits auf das zuletzt stark gestiegene Interesse von Investoren zurückzuführen.
  • Ein Teil der aktuellen Wohnungsproduktion wird durch Finanzkapital angekurbelt.
  • Die durchschnittliche Projektgröße bei gewerblichen Bauträgern liegt bei 49 Wohneinheiten pro Projekt, finanzialisierte gewerbliche Bauträger errichten durchschnittlich 79 Wohneinheiten pro Projekt
  • Für die Fertigstellungen im Jahr 2021 ist bei finanzialisierten gewerblichen Bauträgern ein zusätzlicher Investitionsschub zu erkennen. 2021 werden mehr als doppelt so viele Wohneinheiten als in den letzten Jahren von finanzialisierten Bauträgern fertiggestellt.
  • Räumliche Schwerpunkte finanzialisierter Wohnungsproduktion sind Neubaugebiete mit größeren Flächenreserven (da große Projekte) sowie ganz generell bekannte Leuchtturmprojekte (am Wasser), siehe Karte oben
  • Das typische Investorenprojekt weist im Durchschnitt 130 Wohneinheiten pro Projekt auf und ist damit deutlich größer als ein durchschnittliches Projekt (49 Wohneinheiten) von gewerblichen Bauträgern.
Auf Basis einer gemeinsam mit der Wirtschaftskammer Österreich (WKO) präsentierten Studie zur (künftigen) Entwicklung des Wohnungsneubaus zeigt sich für Wien generell die sehr starke Zunahme an fertiggestellten Wohnungen, insbesondere im Vergleich zu der Haushaltsentwicklung (als Indikator für die Nachfrage nach Wohnraum aufgrund Bevölkerungszuwachses), sowie die Verschiebung von Eigentum hin in Richtung Miete.
Eine Auswertung aus Exploreal zeigt: Auch bei Investorenprojekten bestimmt die Lage den Erfolg

Österreichweit steht die Datenbank seit September 2021 zur Verfügung und sind derzeit die Bundesländer Wien, Niederösterreich, Burgenland, Steiermark, Oberösterreich und Salzburg online abrufbar.

Siehe dazu auch den Beitrag im ORF unter https://orf.at/stories/3211142/

Link zu Exploreal – die aktuelle Bauträgerdatenbank www.exploreal.at

5 comments

  1. Gute Artikel – eigentlich ist es ja gut, wenn mehr gebaut wird – so sollte der Markt ja funktionieren. Als jemand, der u.a. auch in Berlin wohnt, kann ich davon ein Lied singen. Jetzt wäre es noch schön, wenn in Berlin fast nicht nur Luxuswohnungen und Mikroappartments geschaffen würden. Denn etwas zu finden, was nicht ein Luxusbau mit 2-Zimmer-Whg. für 650.000 € ist oder ein Mikroappartment (mit immerhin auch noch stolzen 170k Kosten in Marzahn wohlgemerkt!), ist wirklich schwer. Wo bleibt der “normale” neue Wohnraum für die nicht-Studenten Mittelschicht? Mikroappartments sind ja schön für Stundenten, aber doch nicht wirklich für Menschen im Alter 35 Plus.

    1. In Ö gibt es als “Korrektiv” den Gemeinnützigen Wohnbau, hier ist D ja bekanntlich in der Vergangenheit andere Wege gegangen – mit teils fatalen Auswirkungen für den Wohnungsmarkt.

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