Die wohnrechtliche Schlichtungsstelle

In Österreich bestehen seit den 1920er Jahren in mehreren Gemeinden wohnrechtliche Schlichtungsstellen. Es handelt sich dabei um Rechtsschutzeinrichtungen, die sich dadurch auszeichnen, dass sie für die Bürgerinnen und Bürger leicht zugänglich sind, für die Verfahren kein Anwaltszwang besteht und generell die Kosten im Vergleich zu einem gerichtlichen Verfahren mehr als überschaubar sind. Wo diese heute noch bestehen und für welche Angelegenheiten diese zuständig sind lesen Sie hier.

Was sind (wohnrechtliche) Schlichtungsstellen?

Wohnrechtliche Schlichtungsstellen sind niederschwellige und bürgernahe Rechtsschutzeinrichtungen. Ihre Aufgabe liegt in erster Linie darin, Streitigkeiten in wohnrechtlichen Angelegenheiten außergerichtlich zu behandeln und nach Möglichkeit einen Vergleich zwischen den Parteien herzustellen. Zugleich sollen dadurch die Gerichte entlastet werden.

Eine Schlichtungsstelle ist nach § 39 MRG dort vorgesehen, wo eine Gemeinde über einen in Mietangelegenheiten fachlich geschulten Bediensteten verfügt und die Anzahl der dort anfallenden Verfahren die Betrauung der Gemeinde zum Zwecke der Entlastung des Gerichts rechtfertigt.

Im Jahr 1923 verfügten 88 Gemeinden in Österreich über derartige Einrichtungen. Heute bestehen (nur) noch in 10 Gemeinden wohnrechtliche Schlichtungsstellen. Insgesamt ist die Anzahl dieser Stellen somit seit ihrer Errichtung vor rund 100 Jahren sehr stark zurückgegangen. Die derzeit noch bestehenden 10 Schlichtungsstellen finden sich in folgenden Städten: Graz, Innsbruck, Klagenfurt, Linz, Salzburg, Wien, Leoben, Neunkirchen, St. Pölten und Stockerau.

Für welche Rechtsangelegenheiten sind Schlichtungsstellen zuständig?

Die Aufgaben der Schlichtungsstellen sind in den wohnrechtlichen Bestimmungen des Bundes (Mietrechtsgesetz, Wohnungseigentumsgesetz, Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz, Heiz– und Kältekostenabrechnungsgesetz) explizit genannt. Zudem können auch einzelne Landesgesetze (zB Tiroler Wohnbauförderungsgesetz: Überprüfung der Rechtmäßigkeit von Mietzins– und Betriebskostenerhöhungen bei geförderten Wohnungen) entsprechende Verweise enthalten.

Nach den Bestimmungen der §§ 39 und 40 MRG sind die Schlichtungsstellen nur für Haupt- und Untermietverhältnisse im Vollanwendungsbereich des MRG zuständig. Somit sind Angelegenheiten aus dem sog. Teil- und Vollausnahmebereich weiterhin bei den ordentlichen Gerichten anhängig zu machen.

In den Fällen der §§ 37 Abs 1 MRG, 22 WGG und 52 Abs 1 Z 1 WEG muss zwingend zuerst einen Antrag bei der zuständigen Schlichtungsstelle eingebracht werden. Man spricht hier von der sog. sukzessiven Zuständigkeit. Wird dies übersehen und ein Antrag direkt bei Gericht eingebracht, so wird dieses die Sache wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs zurückweisen.

Wenn hingegen keine Schlichtungsstelle eingerichtet ist, muss der Antrag direkt beim sachlich und örtlich zuständigen Gericht eingebracht werden.

Geringeres finanzielles Risiko für Rechtssuchende

Der Zugang zu Rechtsschutzeinrichtungen und somit zu verbindlichen Rechtsentscheidungen kann wesentlich von den damit verbundenen Kosten und Risiken beeinflusst sein. Daher kann eine niederschwellige Rechtsschutzeinrichtung in wohnrechtlichen Angelegenheiten, insbesondere für Menschen mit geringerem Einkommen, zweckmäßig und vorteilhaft sein. Für die Verfahren vor den Schlichtungsstellen besteht insbesondere kein Anwaltszwang. Darüber hinaus sind die sonstigen Kosten im Vergleich zu einem gerichtlichen Verfahren mehr als überschaubar.

Das Verfahren vor der Schlichtungsstelle

Antragslegitimiert vor der Schlichtungsstelle ist jede Partei, unabhängig davon, ob sie zu Recht oder Unrecht in das Verfahren einbezogen worden ist.

Der Antrag an die Schlichtungsstelle muss

  • ein Begehren und
  • ein Tatsachenvorbringen

enthalten.

Gegen die Entscheidung der Schlichtungsstelle ist kein ordentliches Rechtsmittel vorgesehen (§ 39 Abs 4 MRG). 

Die Partei, die sich mit der Entscheidung der Schlichtungsstelle nicht zufriedengibt, kann die Sache innerhalb von vier Wochen ab Zustellung der Entscheidung bei Gericht anhängig machen. Durch die Anrufung des Gerichtes tritt die Entscheidung der Schlichtungsstelle außer Kraft (§ 40 Abs 1 MRG).

Das Gericht kann ferner von jeder Partei angerufen werden, wenn das Verfahren vor der Schlichtungsstelle nicht binnen drei Monaten zum Abschluss gelangt ist. Sobald ein solches Begehren bei Gericht eingebracht wurde, hat die Schlichtungsstelle das Verfahren einzustellen (§ 40 Abs 2 MRG).

Über den Tag, an dem das Verfahren bei der Schlichtungsstelle anhängig gemacht wurde, über den Inhalt der Entscheidung der Schlichtungsstelle oder, wenn es zu einer solchen nicht kommt, darüber, dass der Vergleichsversuch erfolglos geblieben ist, hat die Schlichtungsstelle der Partei auf Verlangen eine Bestätigung auszustellen. Begehrt die Partei die Entscheidung des Gerichtes, so hat sie diesem die Bestätigung vorzulegen. Die Schlichtungsstelle hat dem Gericht auf Ersuchen die Akten zu übermitteln (§ 40 Abs 3 MRG).

Eine weitere verfahrensrechtliche Besonderheit liegt noch darin, dass auf das Verfahren vor der Schlichtungsstelle neben den Regelungen des Außerstreitgesetz (AußStrG), auch die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) anzuwenden sind (§ 39 Abs 3 MRG).

Rückfragen an:

Dr. Daniel Köll, MSc (redaktion@immobilien.blog)

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